Testbericht Speed 4 10 Deluxe

Vorbemerkung

tests

Wann kommt er denn? Wie ist er denn? Was wird es denn? Die Fragen rund um den neuen Kite von Flysurfer begleiteten fast das ganze Jahr 2012. Ende des Jahres war es dann soweit, Flysurfer ließ die Katze aus dem Sack. Es ist ein Speed 4 und kein Psycho 5 und es wurde nicht nur eine Katze, sondern gleich zwei Katzen aus dem Sack gelassen: Speed 4 in 8 und 10 Quadratmeter.  Sicher, manche hätten sich gleich die ganze Katzen-Familie gewünscht, aber eins nach dem anderen. Die größeren Größen sind für 2013 angekündigt (oder wird es vielleicht doch 2014 – die Fragen werden jedenfalls wieder so lange auf dem Trapez stehen, bis sich die weiteren Größen auf den Markt kommen).
Für den windigen Herbst sollten die „kleinen“ Größen laut Ankündigung ja auch ausreichen. Und das tun sie dann auch. Und wecken gleichzeitig Vorfreude und Neugier auf Tage mit laueren Winden und größeren Kites.
Wer die Entwicklung bei Flysurfer in den vergangenen Jahren mitverfolgt hat, der hat sich vermutlich immer wieder gewundert, dass die Entwickler der bayrischen Firma immer noch mal eine Schippe oben drauf legen. Ich bin ein leidenschaftlicher Kitesurfer und bei guten Bedingungen fast ebenso gerne an Land unterwegs und habe dabei die Entwicklung des FS-Kites jährlich miterlebt. Wenn ich den Textbericht, den ich 2010 über den Speed 3 geschrieben habe, noch einmal aufschlage, dann denke ich jetzt mal wieder: „Mist, ich hätte nicht ganz so vollmundig schreiben sollen! Denn was soll ich jetzt noch sagen zu dem Kite, der neu am Start ist?“
Kurz gesagt: Mir fehlen zwar nicht die Worte, aber der Speed 4 ist das momentane Ende der Fahnenstange. Ob die Entwickler irgendwann noch einmal einen oben drauf legen werden und die Fahnenstange also etwas verlängern werden, das wird sich im Laufe der nächsten Jahre zeigen. Aber jetzt ist erstmal Speed 4 angesagt.

speed 4 10 testbericht9gBedingungen
Geflogen bin ich den Speed 4 in 10 Quadratmeter Ende November/ Anfang Dezember 2012 bei unterschiedlichen Bedingungen. Einmal habe ich ihn bei recht böigem und zugleich schwachem Wind auf einer begrünten Müllkippe geflogen, um einen Ersteindruck zu bekommen. Das zweite Mal habe ich ihn auf einer Wiese an der Nordsee bei schlappen 8 bis 11 Knoten geflogen und damit ein paar Runden auf dem Mountainboard gedreht. Im Anschluss war dann tatsächlich auch noch eine kurze Runde auf der Mega-Flydoor im Nordsee-Salzwasser möglich. Zum dritten Mal hatte ich die Speed 4 bei 15-20 Knoten auf der Nordsee am Haken (kleines Board bei leider immer noch 90 Kilo Lebendgewicht).

Material
As usual. Bestens. Nimmt man die Nähte, die Anknüpfpunkte und die gesamte Verarbeitung des Kites unter die Lupe, dann könnte man meinen, er sei „Made in Germany“ (wenn man diese Herstellerangabe noch mit qualitativ hochwertiger Arbeit in Verbindung bringt). Was seit Wochen oder Monaten auf der Homepage von FS zu lesen ist, dass nämlich ein Kite aus über 1000 Einzelteilen besteht, das habe ich beim Speed 4 nicht nachgezählt, aber es ist schon der pure Wahnsinn, wenn man bedenkt, wie viel Arbeit (nach der Entwicklungsarbeit) in einem solchen Sportgerät steckt. Die Verarbeitung ist vom Feinsten, nirgendwo irgendwelche überstehenden Nähe, Fäden o.ä. zu entdecken. Die Beschaffenheit des Materials fühlt sich für den Laien sehr solide und strapazierfähig an. Die technischen und laborgetesteten Daten dazu findet man bestimmt irgendwo beim Hersteller. Das Tuch ist nicht, wie man es manchmal auch kennt, „sperrig“ oder „dicklich“. Sicher, die „Fingerprobe“ des Stoffes wird sich je nach Alter des Kites ändern. Es ist aber anzunehmen, dass das Tuch ebenso robust und haltbar ist, wie das der Vorgängergenerationen.

Wenn man den Rucksack für das wichtigste Utensil beim Kiten hält, dann bekommt der Kite keine 15 Punkte .... Ich persönlich finde die Rucksäcke der Firma FS eher immer etwas zu labberig. Und wer braucht eigentlich diese ganzen Reißverschlüsse und Taschen? Ich tippe mal, dass auch die Zipper der neuen Rucksäcke gut Pflege brauchen, um auch noch nach einer salzhaltigen Saison rund zu laufen. Na ja, sei’s drum.


Da fehlt ja was
Eine ganze Waage-Ebene ist verschwunden. Einfacher, leichter und wohl auch besser. Ich verstehe von Waage-Aufhängungen etc. nicht all zu viel. Gewicht wird das aber wohl eingespart haben. Es fällt dem Laien-Auge nur auf, dass weniger Leine im Waage-Bereich zu finden ist. Was das Aus- und Einpacken angeht, wird man jetzt vielleicht auch nicht mehr sooft hören: „Oh, diese vielen Leinen würden mich verrückt machen!“
Ein paar Waageleinen weniger würden einen Skeptiker nicht weniger verrückt machen. Jetzt sind es aber weniger. Zusammenlegen und Auspacken muss man den Kite sowieso nach seinem eigenen System.
Und ich freue mich immer wieder, dass ich meine Leinen nie anleinen muss. Kite auslegen, Leinen abwickeln, kontrollieren, los geht’s.





Da ist ja was
In den Leitkantenprofilen befinden sich kleine „Stäbe“, vergleichbar mit Standoffs bei Zwei-Leiner Delta-Kites. Wenn ich richtig gezählt habe, dann sind das beim 10er 21 flexible und dennoch formgebende „Stäbe“, die filigran eingenäht sind (alleine für diese Nähleistung müssten die Näherinnen und Näher einen Orden bekommen; an den Enden sind die „Stäbe“ mit festem Tuch doppelgenäht, damit auch bestimmt nichts ausreißen kann). Offiziell heißt das „Rigid Foil Technology“. Diese Technologie sorgt dafür, dass der Kite formstabil bleibt, auch wenn er nicht angeströmt wird. U.a. ist das daran zu merken, dass der Kite auch bei wenig – sehr wenig Wind – nicht flatterig oder weich wird und an der Leitkante einknickt. Das ist bei Startvorgängen sicher von Vorteil, sorgt aber auch bei Druck sicher dafür, dass der Kite noch weniger Zicken macht. Böen werden dadurch sicher auch besser abgefangen. Schon irre, was die Entwickler nutzen, um den Kite noch stabiler zu machen.


speed 4 10 testbericht9mDesign

„Das ganze Dasein ist Design!“  Diesen Eindruck hat man manchmal, wenn man sich die Werbeszene oder manches gesellschaftliche Phänomen im TV anschaut. Beim Auspacken des Speed 4 hat man diesen Eindruck nicht. Der blau- schwarz-weiße Speed 4 10  ist nach meinem Geschmack eine Mischung aus „Wir bleiben wie wir sind“ und „Wir gehen einen Schritt nach vorne.“  Ja, man kann Kites peppiger, bunter, knalliger und auffälliger gestalten. Man kann aber auch am eigenen, am Markt eigenständigen Aussehen festhalten und im Design der eigenen Spur treu bleiben. Das ist beim Speed 4 wohl so. Auch wenn das peppig-kräftige blau und die Linienführung der Farben dem Kite einen feschen Anstrich geben. Übrigens: Bei strahlendem Sonnenschein wirkt das Design noch peppiger als bei tristem Nieselwetter ;)

Start- und Landeeigenschaften
Der Speed 4 füllt sich schneller mit Luft als alle seine Vorgänger. Und auch schneller als alle seine Mitbewerber aus eigenem oder anderem Hause. Das ist nicht zuerst, wie es eine zeitlang betont wurde, klasse, weil man „der Erste auf dem Wasser sein kann“. Was den Kiteaufbau angeht, so sollte man sich Zeit lassen, in aller  Ruhe alles kontrollieren und nicht das Ziel haben wollen, als erster und dann womöglich unter Vernachlässigung irgendwelcher Sicherheitsregeln auf dem Wasser zu sein. Das Tolle an der schnellen Befüllung des Speed 4 ist der lockere, unruckelige und geradezu mühelose Start, der einem dadurch ermöglicht wird. Hatte man es bei alten Modelle schon hin und wieder mal, dass man den Kite, insbesondere, wenn der noch feucht war und die Lufteinlassschläuche aneinander klebten, erst eine halbe, ganze oder bei wenig Wind auch mal 2 Minuten „in der Luft zappeln lassen musste“, so scheinen diese Zeiten jetzt ein für allemal vorbei zu sein. Traumstart mit gleichmäßiger und flotter Luftbefüllung. Es geht dann aber auch – wenn ausreichend Wind ist – so schnell, dass man darauf gefasst sein sollte. Ja, und dann ist es tatsächlich so: Hängt man den Kite an den Haken und lässt ihn steigen, dann ist man kurz danach wirklich der Erste auf dem Wasser ;). Softkite-Start leicht gemacht! Bei wenig und auch bei viel Wind (mit Übung und Erfahrung) lässt der Speed 4 sich auch in der Powerzone starten. Depowert reißt er einen nicht von den Füßen.  Man ist überrascht. Nach wie vor empfehlenswerter: Starten und Landen am Windfensterrand. Auch hier muckt der Speed 4 überhaupt nicht rum und reagiert aufs Wort (bzw. auf die Zentimeter-Bewegung and er Controllbar). Kein lästiges Ruckeln oder Nachziehen an den Powerleinen, um das gute Stück zu befüllen.

Wie fühlt sich der Kite beim Fliegen an?
Fluggefühl, Schnelligkeit und Drehfreudigkeit
Die Diskussionen um Psycho 5 oder Speed 4 waren nicht ganz unberechtigt. Aber wie ein Psycho fühlt er sich eben nicht an. Ich fliege hin und wieder einen Psycho 4 12. Das ist mein Vergleich. Der Speed 4 fühlt sich im Ganzen „satter“ oder auch „weicher“, dabei aber nicht weniger agil an. Er ist schnell, sehr schnell. Ich kann nicht sagen, ob er, was Schnelligkeit angeht, beim Psycho 4 mitkommt, aber was ich sagen kann ist, dass der Speed 4 eine ungeheuer „sichere Schnelligkeit“ bietet, die einen nicht vom Brett katapultiert, wenn man mal Vollgas gibt.
Der Psycho 4 dreht nach meiner Einschätzung „zackiger“, so dass ich mich schon manches Mal mit leicht weichen Knieen darauf vorbereitet habe, dass es gleich knackig wird, wenn ich den Kite rumreiße. Beim Speed 4 war es eine wahre Freude, den Kite auch bei stärkeren Windverhältnissen durch den Himmel zu jagen. Von weichen Knieen keine Spur. Eher der Wunsch nach mehr und dauerhaft gutem Wind, um noch ein Stückchen weiter ans Limit zu gehen. Und das Ganze eben mit einem sicheren und satten Fluggefühl bei gleichzeitiger Spritzigkeit.

Der Kite ist wohl das, was man drehfreudig nennt. Er ist so drehfreudig und dreht auch so schön eng und fühlt  sich dabei dermaßen sicher an, dass ich meinen ersten Sprung mit Kiteloop (!) mit der Speed 4 gewagt habe. Gewagt und gewonnen. Der Kite gibt einem ein ausgesprochen sicheres Gefühl und gehorcht aufs Wort.

Sprünge
Bisher war meine liebste Flugmaschine der Speed 3. Da ich einen Speed 4 noch nicht mein Eigentum nenne, wird das auch noch ein wenig so bleiben. Die Hangtime des Speed 4 ist hitverdächtig. Gerne hätte ich mal noch mehr Wind oder eben die größeren Modell, die noch nicht auf dem Markt sind, gehabt. Und: Der Speed 4 macht noch eher einen Könner aus mir als der Speed 3. Noch butterweichere Landungen als beim Vorgängermodell sind möglich. Und hier spürte ich schon einen deutlichen Gegensatz zum Psycho 4 und finde,  dass der neue Kite eben wirklich in die Speed-Familie gehört: Während der Psycho wirklich ein freestyler ist, der einem schon mal heftige und kantige Flugmanöver und auch zackige Bewegungen abfordert, sorgt der Speed 4 dafür, dass dieselben Tricks und moves weicher gestaltet werden (können). Springen für Anfänger und Fortgeschrittene – eine wahre Freude mit dem Speed 4.
Da auch mein erster Kiteloop -Sprung gut ging, habe ich im Anschluss daran nicht die Wasserstartfähigkeit getestet.

Wasserstart/ relaunch
Irgendwann hatte ich ihn dann aber doch gewässert, weil ich zu viel auf einmal wollte und wegen eines Fahrfehlers bei einer Wende nicht mehr aus dem Quark gekommen bin. Problemloser Wasserstart. Noch problemloser als beim Vorgängermodell. Wenn der Kite depowert auf dem Wasser liegt, dann kommt es schon mal vor, dass er sich so zusammengeklappt hinlegt, dass man unruhig wird. Muss aber nicht sein. Gekonnter Zug an einer Leine und weiter geht’s.  Als Flysurfer-Neuling sollte es man sich – wie bei jedem anderen Kite – einmal zeigen lassen, wie es geht. Ich tippe mal, dass auch Anfänger den Wasserstart/relaunch problemlos hinkriegen werden.



speed 4 10 testbericht8Power-/ Depowereigenschaften
Ja, es geht noch mehr als Speed 3. Speed 4 eben. Unglaublich, was in diesem kurzen Depowerweg steckt. Und unglaublich, wie kurz der Depowerweg ist. Der kurze Depowerweg ist bestens zu bewältigen, auch für Leute wie mich, die eher klein und rundlich als groß und schlank sind. Man muss also keine langen Arme haben, um die Depower komplett betätigen zu können.  Beim Anpowern braucht man auch kein Bodybuilder zu sein. Ein für mich sehr angenehmes Bargefühl! Ich habe den Kite leider nur bis 20 Knoten geflogen. Ich tippe mal, dass man ihn weit über 30 Knoten fliegen kann. Den Adjuster braucht aufgrund des genialen Depowerweges wohl eher selten.

Lowend/ middlegear/ highend
Der Speed 4 mit 10 Quadratmeter hat meine 90 Kilo auf einer alten Flydoor XL bei 11 Knoten (was sind schon 11 Knoten? Lüftchen plus noch ein kleines Lüftchen. 2 x Kontrolle gemessen) noch so übers Wasser gezogen, dass ich ausreichend Höhe halten konnte. Ich habe den Kite dabei natürlich ordentlich bewegt. Aber wie oben beschrieben: Beim bewegen hat man beim Speed 4 aufgrund der Leichtgängigkeit ja auch noch seinen Spaß. Im Lowend ist der Speed 4 ein ruhig und ausgeglichener Sportsfreund. Ideal auch für Anfänger. In allen Windbereichen war der Speed 4 einfach nur stabil. Man könnte sagen, dass er „wie angenagelt“ am Himmel stand und keinerlei Stallmucken gemacht hat. Wenn man den Kite dewopert am Haken hat, ist er dermaßen stabil am Zenit, dass es schon fast etwas unwirklich erscheint. Im mittleren Windbereich bietet der Speed 4 aufgrund seiner Wendigkeit und aufgrund seines genial zu dosierenden Drucks beste Möglichkeiten. Geflogen bin ich den Kite leider nur bis 20 Knoten. Gerne hätte ich ihn auch bei 30 oder 35 Knoten am Haken gehabt, denn das, was ich bei 20 Knoten erlebt habe, was das Gefühl von Sicherheit angeht, das hätte ich gern auch noch mal bei mehr Wind gegengetestet.

Bar
Die Infinity 2-Bar ist  am Speed 4 serienmäßig dran. Bestens. 50 Zentimeter.

Preis-/Leistungsverhältnis

Spaßeshalber habe ich mal gegoogelt und mir neue highend-Tube-Kites 2013 in 10 qm inkl. Bar angeschaut. Und siehe da, der Preisunterschied lag bei 200 €.  Ob man bei einem Volumen von anderthalbtausend € noch 200 € drauflegen kann und will, das muss jeder selbst wissen.
Sicher, die Leistung hat ihren Preis, aber der Preis hat auch seine Leistung.

Fazit:

Soweit ich den Kite mit meinem Können und bei den gegebenen Windverhältnissen testen konnte und beurteilen kann, ist er ein qualitativ sehr hochwertiger Kite. Ein idealer Einsteiger- und ebenso bestens geeignet für  Fortgeschrittene, die wissen was sie wollen, was sie können und wo sie noch hin wollen. Der Speed 4 bietet das Potential.
Wer es heftig „aggressiv“, knallhart und zackig haben will, der kann das mit dem Speed 4 auch machen, ist dann aber vielleicht nicht ganz so glücklich mit dem Kite wie der  „durchschnittliche Kiter“.