Juni 2016 - Pastor persönlich

Ich habe anderthalb freie Tage! Ich habe die Schnauze voll!

Ich habe anderthalb freie Tage!

Und dazu gehört es für mich auch, dass ich meine Gedanken ein wenig schriftlich fixiere. Ich sitze in der Wohnung einer Freundin in SPO. Sie macht Urlaub, ist nicht zuhause und ich bin nicht zuhause und mache „Urlaub“. Anderthalb freie Tage (na ja, nicht ganz, denn ich bin wegen eines für mich recht aufregenden Projektes hier, das Adrenalin in mir ausschüttet. Da es aber mit Wind, Wasser und Kiten verbunden ist, empfinde ich es tatsächlich nicht als Arbeit) nachdem ich in den vergangenen 10 Tagen viel zu viel unterwegs war.

Norden, Neuharlingersiel, Köln, Gelsenkirchen, Hamburg, Elstal bei Berlin, Gelsenkirchen, Dortmunf, Leer, ... . Das Dumme daran war mal wieder, dass alle Termine echt Spaß gemacht haben und dass ich sehr gerne bei der Sache war. Die Tätigkeiten waren vielfältig, aber wieder einmal habe ich festgestellt, dass das Predigen das ist, was mir am meisten Freude macht (wenn ich das bei mir so feststelle, dann frage ich mich, ob die Leute, die das mitbekommen das auch nur ansatzweise nachvollziehen können – und ....., ob die Qualität des Predigens die meiner anderen Tätigkeiten auch übertrifft oder ob ich mich beim Predigen einfach nur gut fühle, ohne dass das Rückschlüsse auf Inhalt und Wirkweise der Predigten hat).

Trotz viel Freude und abwechslungsreichen Erlebnissen haben mich die Tage echt geschliffen. Es war zu viel. Eindeutig Schuld daran ist mein digitaler Terminkalender, der mir immer wieder vorgaukelt, dass da noch ausreichend weiße Flächen sind, die mit blauen, roten, grünen oder orangefarbenen Balken ausgefüllt werden können. Das leere Weiß eines Tages wirkt durch die bunten Striche doch viel fröhlicher!

Dummerweise hat sich kurz vor Ende der heftigen Zeit ein grauer Schleier vor meine Augen gelegt, so dass ich bezüglich meiner weiteren Aktivitäten fast schwarz gesehen hätte. Das besonders Ärgerliche daran: Ich bin selbst schuld. Und ich weiß das auch noch. Und es ist nicht das erste Mal. Meine Güte, ich tappe immer wieder in dieselbe Falle. Okay, ich nehme mir wieder vor, meinen Terminkalender nicht so bunt zu machen (andererseits meinte ein Freund diese Tage, dass ich das eben auch sei ... hat er sich nicht getraut zu sagen, dass ich mich wohl nicht mehr grundlegend ändern werde?).

So, jetzt noch eben zu einem weiteren Thema, das mich seit ein paar Tagen echt beschäftigt.

 

Ich habe die Schnauze voll!

Und zwar von Leuten, die auf facebook andere Leute geradezu verfolgen, um ihnen mit ihren posts deutlich zu machen, dass sie nicht (mehr) auf dem richtigen christlichen Weg sind. Wobei richtig, recht und rechts mir in diesem Zusammenhang  nun doch einigermaßen offensichtlich zusammenzuhängen scheinen.

Michael Diener, Vorsitzender der Ev. Allianz und dazu noch in x anderen Gremien engagiert, postet reglmäßig Dinge, die ihn bewegen. Ich lese seine posts gerne, denn sie setzen beim Lebensfördernden, Weiten, Herzlichen und Wohlwollenden an. Seine theologischen Anmerkungen kann ich wirklich gut lesen und ich freue mich, dass einer bei so viel Arbeit, die er auf dem Schreibtisch und auch in Hirn und Herz hat, andere Leute an seinen Gedanken teilhaben lässt und damit, soweit ich ihn verstehe, das Anliegen des Evangeliums und des Reiches Gottes in zeitgemäßer Form und mit verständlichen Worten so weitergeben will, dass auch Leute, die mit dem christlichen Glauben noch nicht (so) viel anfangen können, es verstehen. Er ist eben ein Mutmacher, Positiver und Nachvorneschauer.
Von solchen Leuten sollte es mehr Schreiberlinge auf facebook geben.

Nun kann ich verstehen, dass es Leute gibt, die seine theologischen Axiome nicht teilen. Das geht mir mit vielen Leuten auch so. Ich kann auch verstehen, dass man daher die theologischen Schlussfolgerungen, die Michael Diener zieht, nicht teilen kann. Aber was ich nicht verstehen kann ist, wie manche Leute damit umgehen!

Das geht gar nicht!

Diese intolerante Ignoranz, übelste Überheblichkeit und rüde Rechthaberei macht mich betroffen. Im Namen der Wahrheit – und dazu noch im Namen der „biblischen Wahrheit“ – hauen manche Leute dem Verfasser Sachen um die Ohren, die einfach unglaublich sind.

Vielleicht zeugt dieses Unglaubliche, das ich da lese, ja wirklich von Un-Glauben? Ja, wahrscheinlich. Diese Leute können oder wollen diesem Mann seinen Glauben nicht glauben. Und sie glauben dabei – so nehme ich das zumindest wahr -, dass sie selbst auf der Seite des wahren Glaubens stehen. Als ob es darum geht! Wann kapieren wir endlich, dass es beim Glauben nicht um das Fürwahrhalten einzelner oder ganzer Gesamtpakete von Dogmen geht?

Ich werde doch wohl nie mit allen meinen Mitchristen dasselbe Bibelverständnis, dieselbe Theologie und dieselbe daraus abgeleitete Ethik teilen. Aber sie sind und bleiben doch meine Mitchristen! Wo würde ich denn hinkommen, wenn ich allen, die in Bibelverständnis, Theologie und Ethik nicht meine Überzeugungen teilen, ihre Glauben absprechen oder sie diskreditieren würde? Ja, meine Güte!

Ich muss sagen, dass es mir nicht leicht fällt, den „Gegen-Postern“ (manchmal haben ich den Eindruck dass das Posten auch mit ‚Posen’ zu tun hat ...., eben mal zeigen, dass man selbst ja noch wirklich, richtig, echt, ganz, doll, intensiv, treu, überzeugt und rechtgläubig ist) noch eben das zuzugestehen, was ich hier einfordere: Sie stehen zu lassen, sie zu achten und als Mitchristen gemeinsam mit ihnen auf dem Weg zu sein.
Wenn ich zurückblicke, so muss ich eingestehen, dass ich manches Mal in meinem Leben auch andersdenkende Christen einfach abgeurteilt habe. Das tut mir heute Leid. Ich habe mir dadurch vermutlich auch manche Bereicherung selbst genommen. Ich möchte Lernender sein.

Ja, ich möchte um die Wahrheit ringen. Auch um die „biblische Wahrheit“. Ich möchte diskutieren, argumentieren, womöglich auch heftig mit anderen Leuten aneinander geraten. Ich möchte mir dabei jedoch auch immer bewusst sein, dass wir alle Lernende sind. Dass keiner von uns die Wahrheit hat (auch nicht gepachtet hat!).

Ich möchte an dem festhalten, der von sich gesagt hat, dass er die Wahrheit ist. Und der Weg. Und das Leben.
Und deswegen halte ich auch an allen Mitchristen fest. Ich versuche es erneut ... .

Heute denke ich wieder an die Worte des Kirchenvaters Augustinus, die mich seit Jahren begleiten:

Miteinander reden und lachen

Sich gegenseitig Gefälligkeiten erweisen

Zusammen schöne Bücher lesen

Sich necken aber auch einander

sich Achtung erweisen

Mitunter sich auch streiten ohne Hass

So wie man es nun einmal mit sich selbst tut

Manchmal auch in den Meinungen auseinandergehen

und damit die Eintracht würzen

Einander beleben und voneinander lernen

Die Abwesenden schmerzlich vermissen

Die Ankommenden freudig vermissen

Lauter Zeichen der Liebe und Gegenliebe

die aus dem Herzen kommen

sich äußern in Miene Wort

und tausend freundlichen Gesten

und wie Zündstoff den Geist in Gemeinsamkeit entflammen

so dass aus den Vielen eine Einheit wird