Heute Morgen im Radio

Heute Morgen im Radio: Ein Diskussionsforum über die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche. Unterbrochen von Liedern mit Texten wie „Out of the dark - into the light. I give up and close my eyes.“
War das nicht Falco? Sein Lied zu seinem Tod?
Da fängt es an schlimm zu werden. Mir wächst ein Kloß im Hals und ich merke wie der Druck auf die Tränendrüsen steigt. Ich stelle das Radio aus.

Ich bilde mir ein, ich könnte nachempfinden, wie es diesen Menschen geht.
Den Betroffenen, die Opfer anderer Menschen wurden.
Grenzüberschreitung, Nichtakzeptanz des eigenen Neins.

Die Unsicherheit des kleinen Menschen.
Das Kind hat gespürt, dass es nicht richtig ist, was passiert.
Aber der große, der erwachsene Mensch, der die Grenze überschreitet, der weiß doch was richtig ist, oder?
So denkt der kleine Mensch…, so denkt mein kleiner Mensch.

Nein, ich weiß nicht, wie es den Betroffenen geht, die sich jetzt zu den schweren Missbrauchsfällen äußern.
Aber macht es einen Unterschied, ob ich schwer oder leicht misshandelt wurde? Wer stellt das fest? Muss ich misshandelt worden sein, um bei anderen mit meinen Verletzungen gehört zu werden?
Und was ist mit Eltern, die in ihrer Begrenztheit denken, sie tun das Richtige für ihr Kind?

Ich kenne nur meine eigenen Gefühle von Ohnmacht, Hilflosigkeit und Enttäuschung, die sich (leider) auch heute noch in maßlose Wut verwandeln können. Wut, die wiederum andere verletzt.

 

Ich beginne Worte der Bibel zu begreifen, in denen beschrieben wird, dass sich Sünden auf nachfolgende Generationen auswirken.
Aber ich kann doch nichts für das, was mir widerfahren ist?!
NEIN!!! Es ist nicht meine Schuld, auch wenn Täter so was immer gern behaupten.


Aber ich lerne mühsam und schmerzvoll, dass ein Festhalten am Elend, dass mir widerfahren ist, mich nicht weiter bringt.
Auch der Wunsch Gerechtigkeit zu bekommen, eine Bestrafung der Täter zu erwirken, oder wenigstens eine laute Anklage – bringt das Heilung?
Den von mir auf sehnlichste erhofften Frieden?

Mein Elend gehört zu.
Anders kann ich es nicht ausdrücken: Gott lässt aus Elend Gutes entstehen!
Er will mich wieder heil und ganz machen – er kann mich verwandeln.
Das mag sich unglaublich anhören (ist mit dem Glauben so, dass man ihn nicht beweisen kann), aber ich darf dieses Verwandeln erleben.

 

Um Missverständnissen vorzubeugen:
Ich habe nicht gebetet und auf einmal war alles gut.
Ich beschäftige mich seit Jahren immer bewusster mit meinem Leben.
Zunächst waren es (verletzende) Hinweise anderer, Seminare während der Ausbildung, Verdrängung, Konfrontation, vom Opfer zum Täter werdend, Resignation, Seelsorge, Therapie, Selbsthilfegruppe…

Natürlich drängen sich Fragen auf:
„Wieso hat er das zugelassen?“. Ich weiß es nicht! „Wo war Gott?“
ER ist da!

Heute kann ich bewusster spüren, dass Gott da ist. Und ich bin mir sicher, dass er auch damals bei mir war.
Ich glaube, dass er I M M E R da ist, bei jedem und in jeder Situation.


ER hört mir auch zum 100.Mal zu, wenn Menschen abwinken und sagen „Hängst du immer noch da fest?!“.
Und er tröstet mich, der Schmerz wird weniger.
Das kann keine Therapie, kein Seelsorger leisten.
Menschen sind begrenzt und machen Fehler. Alle!
Egal ob katholisch, evangelisch, baptistisch, muslimisch oder, oder, oder!

Jetzt, wo soviel Elend und Schmerz ans Licht kommen, möchte ich dem betroffenen Menschen zurufen:

Gib nicht auf, du gehst in die richtige Richtung: ans Licht, heraus aus der Dunkelheit! Mach dich auf die Suche. Besorg dir Hilfe, die sich für dich gut und richtig anfühlt. Such dir Menschen, die dich begleiten auf deinem Weg. Der Weg wird nicht leicht, aber er lohnt sich. Und Gott ist da, er geht ihn mit dir. Wenn du nicht mehr kannst, wird er dich tragen. Vertrau dich ihm an!

Und dann lese ich den Losungstext vom 11. März 2010

„So spricht der HERR : Dein Schaden ist verzweifelt böse, und deine Wunden sind unheilbar. Aber ich will dich gesund machen und deine Wunden heilen. (Jeremia 30,12.17)“

Auf einmal ist die Bibel, Gottes Wort lebendig und spricht mitten in mein Leben hinein - jetzt kann ich das Radio auch wieder einschalten

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